illuminierter Pinguin, 2012

Es ist die Abstraktion – ein Phänomen der Klassischen Moderne -, die den Künstler Harald Glatte in seiner Malerei stets von Neuem beschäftigt, zu der er sich hingezogen fühlt. Kein Wunder, denn es ist die Abstraktion, die den Emotionen eine andere, neugeartete Richtung gibt, wenn sie sich im Abstrakten wiederfinden, dort Eingang gefunden haben. Das Vermögen der Abstraktion (lat. abstrahere) basiert auf Kognition, Intellektualität, Klarheit, aber ebenso: Distanz. Die Abstraktion zieht ab vom Überfluss, trennt sich vom Gegenständlichen, vom Konkreten, vom Unmittelbaren, reduziert, um das Wesentliche zu vergegenwärtigen. Der Distanz vom unmittelbaren Eindruck wie deren Erlebnissen zu Gunsten des Mittelbaren, auch interpretierten Kerngehaltes schenkt die Abstraktion ihre Beachtung.

Innerhalb Glattes Abstraktionsweisen verdienen Farben als Ausdruckswert eine herausragende Beachtung. Das Komponieren und Ordnen insbesondere mit seinen bevorzugten Grundfarben: Rot/Gelb und Blau inspiriert den Maler Glatte beim meist gestischen Auftragen seiner Farbe auf die großformatigen Leinwände zu einer schier unendlichen Fülle an Variantenreichtum. Diverse abstrakte Formen- und Strukturverläufe ebenso wie kontraststarke Variablen verschmelzen mit der gewählten Farbigkeit zu abstrakten Gemälden, die zunächst keine konkrete, gegenständliche Abbildung intendieren. Diverse Materialien als zusätzliche Strukturelemente finden dabei zunehmend Berücksichtigung, um der Abstraktion innerhalb der Malerei noch mehr Tiefe und Kontrast zu verleihen und den sinnlichen Gehalt zu steigern.

Die Farb- und Formklänge in den abstrakten Werken Glattes fokussieren insbesondere ihre innerbildlichen Bezüge wie es die Werkgruppe: „Die Bergpredigt“, „LichtErscheinungen“ und die Exponate: „MitSommerNacht“ oder auch der im kontrastreichen Schwarz/Weiß/Auftrag entworfene: „Illuminierter Pinguin“ zur Anschauung bringen.  – Das Exponat: „MitSommerNacht“ demonstriert die einst gemachten Natureindrücke in einer vereinfachten, reduzierten gestalterischen Darstellung als ein sinnlich-romantisches Gefühlsereignis, welches sich in weichgezeichneter, heller Farbigkeit und horizontaler Linienführung – die Ruhe vermittelt -, im Werk abbildet.

Der künstlerischen Begabung wie dem handwerklichen Können gleichermaßen ist die gelingende Wirkung im Zusammenspiel von Farbe, Form, Stofflichkeit und dem Verlauf der Darstellungsweise wie ihrer Prinzipien im jeweils entstandenen, abstrakten Werk zu verdanken. – Die abstrakte Arbeitsweise benötigt die meiste Zeit im und während des künstlerisch – kreativen Prozesses und weniger bei der direkten, konkreten Umsetzung. Das, was vorab bewegt, wie es, warum bewegt, wie es dargestellt, ausgedrückt werden muss, gilt der künstlerischen Herausforderung in ihrer ästhetischen Gestaltungsfindung/Darstellung.

Exkurs:Bereits aus diesem Grunde verkörpert ein lediglich abgemaltes, imitiertes Werk keine Kunst, demnach kein Kunstwerk. Der im Volksmund häufig zu vernehmende Wortlaut im Kontext abstrakter Malerei: „das kann ich auch“, führt insofern in die Leere. Nachgemacht ist nicht durchgemacht. Die Abstraktionsweise in der gegenständlichen Linienführung etlicher Picassowerke basierte auf jahrelanger Schulung seiner ihm eigentümlichen Sehgewohnheiten und den daraus gewonnenen, spezifischen Erkenntnissen. Die Mühe/Arbeit lag im ästhetischen Erfassen wie ästhetischen Erkennen der Reduktion auf die gewonnene Linienführungen, um zu den Picasso – Portraitfiguren zu gelangen. Die gestalterische Umsetzung auf den Kunstträger Leinwand u. d. gl. wie die Bannung im Kunstwerk verlief im Anschluß relativ zügig (mitunter in 3 Minuten).

Was bei Picasso innerhalb seiner Abstraktion der Linie als Bedeutung zu kam, verlegt Glatte auf die Farbwirkung. Die konkrete Umsetzung der abstrakten Werke Glattes werden im Anschluss der ästhetischen Findungs-Prozesse gleichwohl relativ spontan umgesetzt. Der Weg wird zum Ziel. Dieser entspricht einer Strecke, die nicht linear verlaufen muss. Das Ziel ist demnach nicht punktuell zu verstehen. Der Kraftaufwand und das künstlerische Können, die Fähigkeit erweisen sich auf dem Weg der künstlerischen Prozesse zum Ziel, dem realisierten Kunstwerk, nicht dem Ziel selbst. Dieses Ziel, das entstandene Kunstwerk seinerseits, verkörpert dann den auf den Punkt gebrachten Erfolg des vorausgegangenem Kraftaufwandes.

In seinem prozessualen Malakt zählt das Hier und Jetzt, um seiner selbst willen, d. h. zunächst ohne konkrete Ziel- und Zweckvorgabe, was im Gestaltungs- wie Rezeptionsmoment das: Meditieren ermöglicht. Die Konzentration auf das Hier und Jetzt beim Meditieren verweist auf eine: Intensitätsverdichtung, als einen Ausdruck: gesteigerter, psychisch-geistiger Hinwendung.

Meist arbeitet Glatte innerhalb seiner abstrakten Werke: expressiv, manchmal: konstruktiv-geometrisch wie in den Exponaten: „Matrix I“, „Matrix II“, oder: „Momo und Siena hinterm Gartenzaun“, mitunter lyrisch wie bei: „Männer sind etwas Wunderbares“, „Alles fließt“, „MitSommerNacht“ oder „Die Leichtigkeit des Seins“. Die Grundfarben: Rot – Gelb und Blau allerdings finden (von den schwarz/weißen Werken einmal abgesehen) in beinahe allen seinen Werken grundlegende Beachtung, weshalb sie hier in einer Tabelle auf ihren wesentlichen Kerngehalt hin reduziert in verbalisierter Struktur dargestellt werden:

Tabellarisch verbalisiert ergibt sie m. E. folgende Struktur:

⇒ Alles zusammen bildet den: Sinn ab!

In dem künstlerischen Schaffen von Harald Glatte wird die: Liebe stets an den Anfang gesetzt, um über ihre Bewegung zur Erkenntnis als Wissen-s-form – im Ausdruck von erhellend – leuchtender Wahrheit – zu gelangen. Diesem Anspruch von Weisheit lässt sich lediglich hinzufügen, dass man nur wecken kann, was in einem steckt, was vielleicht verborgen, aber zumindest virulent vorhanden ist. Jenes verdeutlicht das Naturgesetz, welches vor den Kulturgesetzen nicht Halt machen wird.

© Gabriele Jahnke

 

  • Vom Fasten, 2009